«Kälber am Eimer gross zu ziehen, war für uns nie eine Option.»

Der Hof von Verena und Benjamin Panter liegt versteckt hinter einem beweideten Hügel in Niedermuhlern bei Bern. Besucht man die Hofgemeinschaft Ratzenbergli, wie das zu Hause der Panters heisst, fällt einem sofort der liebevoll gestaltet Hof mit Tenn, Hühnerhaus, Gemüsebeeten, Backhaus, Werkstatt und natürlich Bauernhaus mit Stall auf. Wie die Milchbauern die Richtlinien der «Milchgenuss mit Respekt»-Milch mitgeprägt haben, welche Herausforderungen sie in der Milchproduktion allgemein sehen und vieles mehr, erzählt Benjamin im Interview.

Die Familie Panter lebt mit ihren vier Kindern bereits seit 2015 auf dem Ratzenbergli. Der Hof verfügt über 20 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche auf 900 bis 980 Meter über Meer in der Bergzone zwei. Ihr Hausberg ist der Imihubel und bei schönem Wetter geniessen ihre Tiere, von der höchsten Weide aus, einen kolossalen Ausblick auf die Berner Alpen, wie Eiger, Mönch und Jungfrau. Benjamin und seine Frau haben zehn bis dreizehn Milchkühe der Rasse Rätisches Grauvieh und ebenso viele Kälber und Rinder pro Jahr. Die Gruppe wird komplettiert durch einen Zuchtstier, der stets bei der Herde ist.

Seit wann findet bei euch die Kälberaufzucht über das Euter statt?
«Die Aufzucht der Kälber an den Eutern der leiblichen Mütter und Ammenkühen ist für uns als Quereinsteiger in der Landwirtschaft von Beginn an ein bestimmendes Thema gewesen. Kälber am Eimer gross zu ziehen, war für uns nie eine Option. So begannen wir, mit Kühen, die für die Milchgewinnung weniger gut geeignet waren (aufgrund der Zusammensetzung der Milch oder auch altersbedingter körperlicher Erscheinungen, die sich auf die Melkbarkeit auswirkten), eine dauerhafte Aufzuchtsituation zu gestalten. Die Kühe können so einen verlängerten Lebensabend ohne Melken verbringen und die Kälber artgerecht gesäugt werden. Im Laufe der letzten sieben Jahre tauchten immer neue Fragestellungen auf, die uns dazu geführt haben, im Austausch mit anderen Höfen und zuletzt mit Biomilk AG und Bio Partner Schweiz AG einen Standard zu definieren, dessen Ergebnis wir heute mit «Milchgenuss mit Respekt» haben.»

Welche Herausforderungen hat «Milchgenuss mit Respekt» für euch gebracht?
«Unsere Herausforderungen sind nicht auf eine Umstellung des Betriebes zu beziehen, wie bei anderen Bauernfamilien. Wir haben in den letzten Jahren versucht, für die moralischen Fragen Lösungen zu finden, was uns vor grosse Herausforderungen stellte und immer noch stellt. Die wichtigsten Aspekte dabei waren, egal ob männlich oder weiblich, alle Kälber haben das gleiche Recht auf dem Hof zu bleiben (siehe Infobox). Zudem die Frage, zu welchem Zeitpunkt und wie Mutter und Kalb nach der Geburt getrennt werden sollen. Eine elementare Erkenntnis ist die, dass es kein Rezept oder Schema X gibt. Kühe sind Lebewesen mit eigener Persönlichkeit und daher ist die Situation immer differenziert zu betrachten und zu handeln. Ein Standard, wie bei «Milchgenuss mit Respekt», symbolisiert dabei den gemeinsamen Nenner von verschieden Tierhalterinnen und Tierhalter. Zudem einen Rahmen, den man nicht verlassen darf, der aber die Freiheit gibt individuelle Lösungen zu finden, die den Tieren und der Betriebsstruktur entsprechen.»

Infobox Bauernporträt Benjamin Panter

Was wünscht ihr euch von den Konsumentinnen und Konsumenten?
«Vom Konsumenten wünschen wir uns mehr Interesse und Bewusstsein für die Herstellung von Lebensmitteln. In unserem Fall heisst das, für die Haltung von Rindern zur Milchgewinnung. Ich benenne das bewusst so, denn es geht nicht nur um die Milchkuh selbst. Die Kühe bekommt jedes Jahr ein Kalb. Dieses Kalb wächst innerhalb kurzer Zeit zu einem Rind und wird meistens im Alter von zweieinhalb Jahren selbst zur Mutter und Milchkuh. Das Ganze geschieht bei uns zehn bis zwölf Mal im Jahr, aber nur ein bis zwei neue Milchkühe werden gebraucht. Was passiert mit den anderen Kälbern? Teils sind diese männlich und finden daher keinen Platz in der Milchviehherde, denn der Platz im Stall und die Futtersituation sind auf jedem Hof limitiert. Milch produziert also auch Fleisch, zumal auch die Karriere einer Milchkuh irgendwann ihr Ende findet, eine Verwertung in Form von Frischfleisch und Wurstwaren schliesst somit den Kreislauf. Dieses Bewusstsein wünschen wir uns von den Konsumenten, denn dann kann jeder Mensch selbst entscheiden, welche Form von Landwirtschaft er durch seinen Einkauf fördern möchte.»

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